Als Sven Müller seine Powerpoint-Präsentation beendet hatte, eilt seine Chefin Carola Winsen heran und meinte: „Da hast du aber eine super Präsentation geliefert!“ – eine Rückmeldung, zu der Sie vielleicht Feedback sagen würden.

Genau das verstehen wir bei ilea nicht unter Feedback. Feedback ist Englisch, und unter solchen Begriffen verstehen wir meist ganz unterschiedliche Dinge. Das hat dazu geführt, dass Feedback zum Etikett für alle möglichen Formen von Rückmeldung geworden ist.

Die Zutaten für professionelles Feedback

Wirksames, „professionelles“ Feedback besteht aus verschiedenen Zutaten. Es transportiert zumindest den Sachverhalt oder das Ereignis. In unserem Beispiel mit der Präsentation wird die Sachbotschaft „Du hast ja eben deine Präsentation gehalten“ transportiert. Außerdem teilt der Feedback-Geber mit, wie es ihm damit ergangen ist. Er sendet also eine emotionale Botschaft. Winsen: „Damit war ich rundum zufrieden“. So wird Feedback zweifach verankert: In der in aller Regel vom Gegenüber akzeptierbaren Sachbotschaft und in der emotionalen Selbstmitteilung.

Ein essenzieller Teil von professionellem Feedback sind angriffsfreie Ich–Botschaften. Dabei geht es neben der Sachbotschaft darum, sein eigenes Empfinden mitzuteilen, etwa: „Das irritiert mich“ oder „Das hat mich enttäuscht“. Indem Sie bei sich bleiben, stellen Sie sicher, dass Sie sich angriffsfrei mitteilen. Damit professionelles Feedback seine Wirkung entfalten kann, sind Timing und Umgebung wichtig: Beide Parteien sollten sich auf Augenhöhe und sicher fühlen. So kann etwa ein Feedback unmittelbar nach einer fordernden Präsentation unpassend sein, wenn der oder die Präsentierende noch im Stress ist.

Nicht nur die Person, die Feedback gibt, sollte gewisse Dinge beachten, genau so gibt es Regeln für Feedback-Nehmer; eine Perspektive, die häufig vernachlässigt wird. Wichtig ist etwa, ein erhaltenes Feedback erstmal einfach kommentarlos anzunehmen, auch wenn es vielleicht etwas ist, das zu verdauen ist. Das Gesagte in Frage zu stellen oder eine Diskussion darüber zu beginnen, führt kommunikativ „in den Wald“, meist in den der Rechtfertigungen.

Powervolles Feedback ist angriffsfrei

Das bedeutet, dass Feedback einerseits eine Art kommunikativer Einbahnstraße ist und andererseits auf Augenhöhe stattfindet. Damit ist Feedback kein Instrument, um Hierarchie zu leben. Außerdem erfordert es emotionale Kompetenz sowohl bei der Feedback-Geber*in als auch bei der Feedback-Nehmer*in: Die Geber*in sollte in der Lage sein, ihr Empfinden differenziert in Worte zu fassen, und die Nehmer*in sollte den inneren Raum haben, das Feedback emotional in sich wirken zu lassen, ohne unmittelbar darauf zu reagieren. Letzteres wird zu einer Herausforderung für moderne Führungskräfte beim Entgegennehmen von Feedback ihrer Mitarbeiter*innen.

Wir bei ilea unterscheiden beim persönlichen Entwicklungsniveau von Beschäftigten drei Kategorien: Past, Now- und Next Level. Augenhöhe fällt Führungskräften auf Past Level-Niveau schwer: Schon das Setting, auf einem größeren Stuhl sitzend, einschüchternd und gebieterisch wirkend, eignet er sich nicht für ein gutes Feedback. Ihre geringe Fähigkeit zur emotionalen Reflexion und ihre oft ausgeprägte Impulsivität erlaubt ihnen kaum, Feedback zu nehmen. Stattdessen sind Gegenangriffe, Ausreden oder Entschuldigungen an der Tagesordnung.

Eine Now Level-Führungskraft ist im Unterschied dazu in der Lage, ein Feedback anzunehmen. Was Now Level häufig noch nicht gelingt, sind emotionale Reflexion und emotionale Selbstmitteilung: Die Sach- und Fachebene dominiert und führt oft zu einer Art „kognitiver“ Toleranz bei unterschiedlichen Meinungen. Der emotionale Austausch leidet, und die Beziehung kommt nicht wirklich in Bewegung: Die Chemie“ zwischen beiden kann sich nicht entwickeln.

Der Kern von Feedback: Die emotionale Selbstmitteilung

Next Level-Persönlichkeiten dagegen bringen das Potenzial für professionelles Feedback mit. Das bedeutet konkret, dass sie Empathie mitbringen und Antennen für Gestimmtheiten haben, außerdem ihre Empfindungen wahrnehmen und angemessen in Worte kleiden können. Schließlich besitzen sie den inneren Raum, Feedback auf sich wirken zu lassen, und sie sind reflexionsfähig. Mit diesen Zutaten kann Feedback sein Potenzial entfalten, denn es schafft eine zwischenmenschliche Verbindung, die weit über inhaltliche Apekte, Beurteilungen oder interessen hinausgeht. So kann professionelles Feedback zu einem Instrument zur Verbesserung der Kultur der Zusammenarbeit und damit der Produktivität werden.

Als Next Level-Führungskraft würde Frau Winsen Sven etwa folgendes Feedback geben: „Deine Präsentation hat mich zwiegespalten: Angetan war ich davon, dass sie inhaltlich auf dem Punkt war, und unzufrieden war ich damit, dass sie deutlich nicht im Zeitrahmen blieb.“, und vielleicht noch ergänzen: „Ich wünsche mir, dass deine Präsentation kommende Woche vor dem Vorstand genau so klar rüberkommt und gleichzeitig pünktlich endet.“ Sven wird das wahrscheinlich als eine authentische Selbstmitteilung erleben und sich gestärkt fühlen.

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Über den Autor

Michael Schwartz leitet das Institut für integrale Lebens-und Arbeitspraxis (ilea) in Esslingen. Der Diplom-Physiker arbeitete vor seiner Beratertätigkeit zwei Jahrzehnte als Führungskraft und Projektmanager in der Software-Industrie. Weitere Informationen über Michael Schwartz