Die Krise ist da. Ihre Mitarbeiter sind im Home Office, und Sie tun Ihr Bestes, um per Mail, Zoom-Meetings oder Microsoft Teams Ihren Bereich am Laufen zu halten. Dabei stützen Sie sich auf die Errungenschaften der Digitalisierung und auf Ihre Führungserfahrung. Gleichzeitig ist einiges anders.

Erfahrung 1: Führen geht auch remote

Stimmt. Gleichzeitig fehlt der persönliche Kontakt, besonders der Blickkontakt. Die feinen Signale der Kommunikation wie Gestik, Mimik und Körperhaltungen fallen unter den Tisch. Die sonst üblichen Gesten der Anerkennung, etwa ein bestätigender Blick oder ein Schulterklopfen, entfallen. Neben dem Managen Ihres Geschäfts sind Sie nun als Führungskraft besonders gefordert. Arbeiten im Home Office kann entspannen, aber auch stressen. Machen Sie sich also ein Bild von der häuslichen Arbeitsumgebung des Mitarbeiters. Ihre Sensibilität in punkto Störungen, Spannungen und Konflikte ist besonders gefordert: Diese zeitig anzusprechen ist hilfreich, aber auch vorsorgliches Erkundigen oder Vermuten. Fragen Sie Ihren Mitarbeiter, was er braucht, um gut arbeiten zu können.

Erfahrung 2: Am Managen per Mail ändert sich nichts

Stimmt. Gleichzeitig sind in diesen Zeiten Mails, die nur Content transportieren, nicht mehr ausreichend. Stärken Sie die Führungsbeziehung, indem Sie in der Mail auch auf Sorgen und Ängste Ihres Mitarbeiters eingehen. Fördern Sie Vertrauen, indem Sie schreiben, wie es Ihnen in der Krise geht, und was Sie beschäftigt. Senden Sie neben Inhalten immer auch verbale emotionale Botschaften, nicht einfach Emoticons. Gute Wünsche wie etwa „Kommen Sie wohlbehalten durch die Krise!“ helfen besonders den Besorgteren.

Erfahrung 3: Digitalisierung hilft im Home Office

Stimmt. Aber Digitalisierung fördert social distancing: die Technik schiebt sich zwischen die Menschen. Das können Sie durch sorgfältigere Kommunikation ausgleichen: Fragen Sie öfter als sonst nach. Erkundigen Sie sich nach der Befindlichkeit Ihres Mitarbeiters und zeigen Sie dadurch Empathie. Legen Sie Wert darauf, öfter Anerkennung auszusprechen als sonst. Bleiben Sie dabei authentisch – vermeiden Sie aufgesetztes Loben. Machen Sie sich klar: Wenn Sie selbst wenig Anerkennung brauchen, neigen Sie dazu, zu wenig Anerkennung zu geben.

Erfahrung 4: Meine Mitarbeiter brauchen jetzt besondere Betreuung.

Stimmt. Machen Sie sich gleichzeitig bewusst, dass Ihre Mitarbeiter unterschiedlich ticken. Die eine leidet unter mangelnder Geselligkeit, der andere läuft in der Ruhe des Home Offices zu Hochform auf. Der eine vermisst die Anerkennung, die er sonst im Büro erhält oder sich besorgt, und die andere kann sich ohne Anerkennung motivieren. Wenn Sie die unterschiedlichen Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter kennen, können Sie diese auch remote gut bedienen. Das setzt voraus, dass Sie sich Ihre eigenen Bedürfnisse und Motive bewusst gemacht haben, zum Beispiel in einem Coaching, in dem Sie Ihre individuelle Motivation entdecken. So gelingt Ihnen der Umgang mit unterschiedlich tickenden Mitarbeitern.

Erfahrung 5: Es gibt ja auch in der Krise mehr als genug zu tun.

Stimmt. Aber vielleicht haben Sie selbst ja gerade mehr Zeit als normal. Beobachten Sie sich: Können Sie auch mal nichts tun? Oder suchen Sie ablenkende Tätigkeiten, neigen zum Medienkonsum? Wenn Sie auch Muße können, dann hätten Sie eine Tür zur Auseinandersetzung mit sich selbst gefunden: Welches ist mein Selbstvertändnis, mein Bild von Führung? Wie sinnvoll ist mein Job? Nach der Krise: Weiter wie bisher? Wenn nein: Wie anders? In diesem Raum der Selbstbesinnung könnte es für Sie weitergehen, sofern Sie sich weiterentwickeln wollen. Kommen Sie wohlbehalten durch die Krise!

 

Über den Autor

Michael Schwartz leitet das Institut für integrale Lebens-und Arbeitspraxis (ilea) in Esslingen. Der Diplom-Physiker arbeitete vor seiner Beratertätigkeit zwei Jahrzehnte als Führungskraft und Projektmanager in der Software-Industrie. Weitere Informationen über Michael Schwartz