Fachkräftemangel, digitale Transformation und agiles Management: Die meisten deutschen Unternehmen setzen Potentialanaylse-Tools für Personalauswahl und -entwicklung ein. Als ich neulich Lars Weishaupt, HR-Verantwortlicher eines mittelständischen Unternehmens, auf das Thema Potentialanalyse im Unternehmen ansprach, äußerte er eine Menge an Kritik und Vorbehalten. Sein Tenor: „Wir setzen solche Tools trotzdem ein – weil wir nichts Besseres haben.“

Potentialanalyse im Unternehmen mittels Fragebögen

Damit sind wir beim ersten Problem: Der Ehrlichkeit der Kandidaten. Pschometrische, also die Persönlichkeit vermessende Potentialanalysen beruhen auf Selbsteinschätzungen. Die aber hängen von der Ehrlichkeit und Tagesform der Probanden ab.Die Erfahrung zeigt, dass die meisten der Kandidaten so antworten, wie es ihrer Meinung nach das Unternehmen erwartet, also angepasst. Das geben selbst prominente Befürworter und Hersteller von Potentialanalyse-Tools zu (siehe etwa Hossiep, R.; Mühlhaus, O.: Personalauswahl und Personalentwicklung mit Persönlichkeitstests, Hogrefe 2005). Sie müssen also davon ausgehen, dass Ihre Probanden das auch tun.

Das zweite Problem: Kein Tool, das für Potentialanalyse in Unternehmen angeboten wird, kommt ohne wissenschaftliche Fundiertheit aus. Ein Etikett, mit dem gerne geworben wird. Aber erstens lassen sich verschiedenste, auch gegensätzliche Thesen „wissenschaftlich fundieren“. Zweitens fehlt meist die Nennung des Wissenschaftlers, der das Verfahren „fundiert“ hat. Und wenn er denn genannt wird, dann sollte er auch als Praktiker ansprechbar sein und einen guten Ruf haben. Mein Tipp: Schauen Sie sich außerdem die Angaben zur Objektivität, Reliabilität und Validität (wie groß ist die Normgruppe?) genau an. Was sagen diese aus, und wer hat sie ermittelt bzw. geprüft? Wenn sie fehlen, dann haben Sie es mit einem schwarzen Schaf zu tun.

Potentialanalyse im Unternehmen – bitte keine Astrologie!

Schauen Sie sich drittens die Auswertungstexte an. Oft sind sie unscharf und nach den Maßgaben der sozialen Erwünschtheit formuliert. Das bedeutet, dass sie auf die meisten von uns zutreffen, und dass Sie sie daher gerne lesen. Wer will sich schon gerne durch einen Auswertungstext konfrontieren lassen? Dann aber segelt das Tool im Wind der Astrologie.

Und machen Sie sich viertens klar: Die allermeisten Potentialanalyse-Tools sind entwickelt worden, um mit ihnen Geld zu machen. Ein Menschenbild, ein Persönlichkeitsmodell oder ein ernsthaftes Personalentwicklungsinteresse standen in den meisten Fällen nicht Pate bei ihrer Entwicklung. Außerdem: Was wissen Sie über die Motivation, mit der ein Entwickler sein Tool in die Welt gebracht hat? Was es Auftragsarbeit? Oder Berufung?

Den Dschungel der Marktangebote lichten

Das alles führt inzwischen zu einer Flut von Tools, die meist mehr durch ihre Marketing-Fassaden glänzen als durch ihre Qualität. Oft instrumentalisieren Tool-Hersteller zudem die inzwischen nicht mehr zeitgemäße DIN 33430 für Marketingzwecke. Wenn Sie eine Entscheidung für Potentialanalyse im Unternehmen treffen wollen, dann lassen Sie sich nicht blenden von der Verbreitung eines Tools oder von seiner Verpackung.

Bedenken Sie schließlich: A fool with a tool is still a fool. Bitte bleiben Sie jedoch angesichts dieser Weisheit entspannt: Sie brauchen kein Tool-Experte zu sein, um eine gute Wahl zu treffen. Wenn Sie im Dschungel der Marktangebote einen Überblick gewinnen wollen, dann empfehle ich Ihnen unser Webinar Potenzialanalyse-Testverfahren im Vergleich. Setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung, wenn Sie eine objektive Beratung bei der Auswahl oder beim Einsatz eines oder mehrerer Tools in Ihrem Unternehmen suchen.

Seit vielen Jahren setzen wir selbst Tools zur Potentialanalyse in Unternehmen ein. Wie wir marktgängige Tools einordnen, und auf welche Tools wir bauen, das erfahren Sie HIER.

Fazit

Ein Tool ist so gut wie sein Schöpfer, und Ihre Tool-Auswahl hängt stark vom Einsatzzweck ab. Lars Weishaupt bezog klar Position: „Wenn ich schon Potentialanalyse im Unternehmen einsetze, dann müssen erfahrene und ausgebildete Berater mit Menschenkenntnis ran. Die Kandidaten haben nämlich ein Recht auf ungeschminkte Erläuterung der Auswertungen. Ein gutes Coaching reflektiert die Persönlichkeit des Coachees, sodass es Entwicklung durch Betroffenheit und Erkenntnis ermöglicht.“

Über den Autor

Michael Schwartz leitet das Institut für integrale Lebens-und Arbeitspraxis (ilea) in Esslingen. Der Diplom-Physiker arbeitete vor seiner Beratertätigkeit zwei Jahrzehnte als Führungskraft und Projektmanager in der Software-Industrie. Weitere Informationen über Michael Schwartz